Geschichte von Radierung und Kupferstich
Eine Originalgraphik ist auch heute noch eng mit Handwerklichem Tun verbunden. Zu allen Zeiten haben die Sammler ihr besonderes Interesse – außer der künstlerischen Qualität der Blätter – dem vom Künstler benutzen Verfahren zugewendet. Für den Künstler, wenn er nicht nur eine Vervielfältigung seiner Zeichnung anstrebt, geht vom benutzten Material und seinem unendlichen Möglichkeiten eine große Faszination aus. Ein kleiner geschichtlicher Überblick zeigt, daß die alten Techniken des Stichs und der Radierung zu jeder Zeit weiter entwickelt wurden und auch heute noch Spielraum für Experimente bieten.
Ob die noch älteren Silberplättchen (Nielli) mit denen die Goldschmiede ihre Silber- und Goldgeräte schmückten, als Ursprung des Kupferstichs anzusehen sind, ist nach den neuesten Forschungen fraglich. Diese Nielli wurden mit eingestochenen Ornamenten versehen und deren Vertiefungen mit einer schwarzen Schmelzmasse ausgefüllt. Es lag nahe, daß die Goldschmiede, ehe sie diese Masse im Feuer mit dem Metall verschmolzen, ein aufsaugendes Papier darüber abrieben, um die eingravierten Muster für spätere Arbeiten als Vorlage zu benutzen oder sie an andere weitergeben zu können. Das Papier ziegte eine dunkle Zeichnung auf hellem Papiergrund.
Der älteste uns bekannte Kupferstich ist vom Meister von 1446, „Die Geißelung Christi“. Neben dieser technisch unvollkommenen und zeichnerischen unbeholfenen Arbeit gab es wenig später Beispiele von höheren künstlerischen Rang. Zu erwähnen wäre hier vor allem der „Meister der Spielkarten“, ein vermutlich um die Mitte des 15. Jahrhunderts in Südwestdeutschland tätiger Künstler.
Die technische und künstlerische Entwicklung des Kupferstich vollzog sich sehr schnell und wurde schließlich durch Martin Schongauer (1453 – 1491) und Albrecht Dürer (1471 – 1528 ) zu einer Vollkommenheit gesteigert, wie sie in der darauffolgenden Zeit in dem Maße nicht wieder erreicht wurde.
Nach der Erfindung der Radierung hatte der Kupferstich fast nur noch eine Bedeutung als „Reproduktionsmittel“, ähnlich wie der viel spätere entwickelte Stahlstich.
Albrecht Dürer sah als junger Mann in Martin Schongauer und den italienischen Kupferstecher Mantegna ( 1431 – 1508 ) seine Vorbilder in dieser jungen Kunst.
Später wurde Dürer Anreger und Vorbild für niederländische und italieneische Stecher. Außerdem schuf Dürer fünf Eisenätzungen.
Eisenätzungen, also Radierungen, werden auf die Harnischmacher zurückgeführt, die Harnische und Waffen mit eingeätzten Ornamenten versahen.
Nach Dürer entwickelte sich die Radierung rasch weiter, wobei die Kupferplatte das schnell rostende Eisen ablöste.
Der Niederländer Herkules Seghers ( 1589 – 1645(1639? recgerschieren ) war ein leidenschaftlicher Experimentierer.
Manche seiner Radierungen sind auf koloriertes Papier gedruckt. Neben schwarzer Druckfarbe
benutzte er auch andersfarbige oder tönte den Druck mit Gouache-Farben. Stellenweise ließ er Plattenton stehen, um so eine mehr malerische Wrkung zu erzielen.
Seine Arbeiten waren ein Vorbild für Rembrandt, dessen Arbeiten mit seiner Technik auch dem Radierer unserer Zeit viel zu sagen haben.
Im Zeitalter des Barock wurde von vielen Künstlern die Radierung zu einer virtuosen künstlerischen Technik entwickelt. Die illusionistische Auffassung trug dazu bei, daß die Radierung über die bisherige nüchterne Formbeschreibung hinaus die spezifischen Ausdruckswertigkeiten der Maleri erfaßte und in graphische Werte umsetzte. Rembrandt (1606 – 1669) war wohl in dieser Zeit der Künstler, der der Radierung die meisten technischen Möglichkeiten abgewonnen und seinen künstlerischen Intentionen untergeordner hatte.
Seit dem 17. Jahrhundert versuchte man immer wider Stiche und Radierungen farbig zu drucken. Abgesehen von den englischen Schabkunstblättern des 18. Jahrh. sind ähnliche Versuche nicht sehr überzeugend ausgefallen.
Die Schabkunst wurde 1640 von Heinrich von Siegen erfunden, eine weiterführende Technik des Kupferstichs, die erstmalig eine malerische Flächenarbeit erlaubte.
Einen neuen künstlerischen Höhepunkt bildet im 18. Jahrhundert das graphische Werk Francisco Goyas (1746 – 1828 ) Er brachte die Aquatintatechnik, eine Flächenätztechnik zur Vollendung. Seine Aquatintablätter sind beispielhaft in ihrere unmittelbaren Ausdruckskraft, nicht zuletzt abhängig von einer gründliche Beherrschung der Aquatintatechnik.
Ebenfalls in Paris entstanden die ersten Mehrfarbendrucke „a la poupee“. Hierbei werden die verschiedenne Farbtöne mit kleinen Tampons direkt und auf nur eine, höchstens zwei Platten gerieben und in nur einem Arbeitsgang, bzw. in zwei Arbeitgängen gedruckt, eine Art der Fabradierung.
Im 17. und 18. Jahrhundert spricht man vom „Malerstecher“ oder „peintre graveur“, das heißt der Künstler ist selbst Entwerfer, Stecher oder Radierer und meist auch Drucker. Es bdeutet auch daß der Künstler seine Entwürfe speziell für die Technik einrichtet, diese in den Entwurf miteinbezieht, in der er dann die Ausführung vornimmt. Schongauer, Dürer, Seghers, Rembrandt und noch viele andere waren solche „peintres graveurs“.
Anfang des 19. Jahrhunderts kam in England der Stahlstich auf, der dank der Härte seines Materails, eine weit größerer Auflagenziffer erlaubte als der Kupferstich. Er wurde hauptsächlich für Illustrationen, Modeentwürfe und ähnliches verwendet.
In diesem 19. Jahrhundert gab es nur wenige Künstler, die in der Radierung ein künstlerisches Mittel sahen. Die künstlersiche Bedeutung der in dieser Zeit entstandenen Arbeiten ist nach unserer heutigen Auffassung äußerst gering. Die Erfindung der Fotografie in der Mitte des 19. Jahrhunderts macht neue und einfacherer Methoden der Vervielfältigung möglich.
Erst gegen Ende des 19. Jahrh. waren es Künstler wie Max Klinger und Max Liebermann, die der Radierung wieder künstlerische Möglichkeiten künstlerischer Aussage wiederentdeckten.
Edvard Munch (1863 – 1944), Max Beckmann (1884 – 1950), Emil Nolde ( 1867 – 1956 ) haben sich – wie viele anderer Künstler ihrer Zeit – intensiv mit der Radierung befaßt und ihren Grafiken durch Linien – Flächenätzen eine starke Ausdruckskraft verliehen.
Picasso (1881 – 1973) verwendete in seinen Radierungen u. a. die Zuckertechnik, eine Absprengtechnik, zu der er von Lacouriere und seiner Radierwerkstatt angeregt wurde. Diese Blätter beziehen ihren Reiz aus der Anwendung der Pinselzeichnung direkt auf der Platte.
Luigi Kasimir (1887 – 1962) und Josef Eidenberger (1899- 1991) schließen wohl den momentenen Kreis der anerkannten großen Meister der Farbradierung. Sie entwickelten die Technik der Farbradierung zu einer neuen Perfektion. Weiche sanfte Striche gemischt mit Aquatintaätzung ergeben ein Bild das in ihrer Ausdruckkraft einer Malerei sehr nahekommt.